Warum barrierefreies Webdesign allen Menschen – zugutekommt

Gutes Design ist für alle da. Barrierefreies Design bedeutet: ausreichende Kontraste wählen, Schriftgrössen flexibel gestalten und Farbe nie als einziges Unterscheidungsmerkmal verwenden. Es geht darum, visuelle Inhalte so zu gestalten, dass sie von möglichst vielen Menschen wahrgenommen und verstanden werden.
Jeder Mensch ist früher oder später von Behinderung betroffen
In der Schweiz leben gemäss einer Erhebung des BFS rund 1,6 Millionen Menschen mit Behinderungen – das sind etwa 22% der Bevölkerung! Wenn wir an Menschen mit Behinderungen denken, denken wir oft an Personen, die sichtbare Hilfsmittel wie etwa einen Rollstuhl oder Blindenstock verwenden. Doch Menschen mit Behinderungen sind keine homogene Masse. Ja – es gibt Menschen im Rollstuhl und auch Menschen, deren Sehvermögen 0% beträgt. Es gibt aber auch unzählige Abstufungen sowie nicht sichtbare Formen von Behinderungen. Viele fühlen sich jetzt nicht angesprochen und vielleicht fragst auch du dich, was das Ganze mit dir, uns und Webseiten zu tun hat.
Spoiler Alert: Einschränkungen können jederzeit entstehen – durch Unfall, Krankheit oder schlicht durchs Älterwerden. Barrierefreies Webdesign sorgt dafür, dass digitale Angebote für jede Lebenssituation zugänglich bleiben.
Du fühlst dich immer noch nicht angesprochen? Täusch dich mal nicht, denn: Die meisten Behinderungen werden im Laufe des Lebens «erworben».
Wo 18.5% der Schweizer Bevölkerung im Alter von 16 – 65 Jahren als Menschen mit Behinderung gelten, sind es bei den über 65 jährigen ganze 35%. Altersbedingte Einschränkungen treten in vier Bereichen (visuell, auditiv, motorisch und kognitiv) gehäuft auf: die Sehstärke nimmt ab, die Beweglichkeit, das Hörvermögen und auch die kognitiven Fähigkeiten nehmen im Alter ab. Es geht um Zugänglichkeit – für alle Menschen.
Arten von Behinderungen
Es wird zwischen vier Behinderungsarten unterschieden: visuell, auditiv, motorisch und kognitiv. Das sind also Menschen mit Sehbehinderung, Blindheit oder einer Farbsehschwäche, Hörbehinderungen oder Gehörlosigkeit, Motorik-Einschränkungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Demenz oder Epilepsie und viele andere mehr.
Typische Barrieren im Web
Typische Beispiele für Barrieren im Web sind: zu geringe Farbkontraste, rein visuelle Informationsvermittlung (nur über Farbe oder/und ohne Textbeschrieb) oder eine mangelhafte Strukturierung von Inhalten.
Konkretes Beispiel: Farbsehschwäche
Wer eine Rot-Grün-Schwäche hat, kommt nicht weiter, wenn sich beispielsweise ein Textfeld bei einem Problem einfach nur rot verfärbt. Diese rein visuelle Farbauszeichnung reicht als Erklärung für ein Problem nicht aus. Auch manche nicht Farbsehschwäche-Betroffenen dürften in dieser Situation anstehen: wenn nirgendwo beschrieben steht, was das Problem ist, und vor allem, wie es zu beheben ist, ist die Frustration gross.
Warum Unternehmen von barrierefreiem Webdesign profitieren
Wenn du dir ein neues Paar Schuhe bestellen möchtest, wechselst du vermutlich schnell auf eine andere Website, wo du an dein Ziel (Schuhe) kommst. Wenn du aber deine Steuererklärung noch bis heute, Sonntag, 12 Uhr abschicken musst, hast du ein gravierenderes Problem. Barrierefreies Webdesign ist also nicht nur für Betroffene wichtig, sondern auch für Unternehmen und Dienstleistungsanbieter:innen. Wer hier schläft, verliert Kund:innen und gewinnt lediglich einen schlechten Ruf. Das Buzzwort zum Thema lautet: User Journey.
Gutes Design ist also barrierefrei – und das nützt wirklich allen.
Was genau heisst eigentlich «barrierefreies Webdesign»?
Barrierefreies Webdesign bedeutet, Webseiten so zu gestalten, dass möglichst viele Menschen sie problemlos nutzen können. Dafür gibt es einen Kriterienkatalog, die WCAG-Richtlinien (Web Content Accessibility Guidelines). Diese sind vom W3C (World Wide Web Consortium) entwickelt worden – jener Organisation, die weltweit Webstandards wie HTML, CSS oder eben auch die Richtlinien für digitale Barrierefreiheit definiert. Zusammen bilden sie ein verbindliches Referenzwerk für die inklusive Nutzung des World Wide Webs. Denn Zugang zu Informationen, Shopping und Tools – also Teilhabe an der Gesellschaft, Kultur und am Leben – ist kein «nice to have» sondern ein Menschenrecht.
Eine Website im nachhinein barrierefrei zu machen, wie es einige Programme versprechen, indem man einfach ein Overlay darüber stülpt, klingt nicht nur zu schön um wahr zu sein, sondern ist genau das: kompletter Unfug. Unfug ist ebenfalls, zu behaupten, dass eine Website komplett barrierefrei ist. Es gibt keine «one fits all»-Lösung. In der Gestaltung sowieso nicht – dazu hat gerne jede:r eine Meinung. Ergo kannst du es auch niemals allen recht machen. Der internationale Standard auf den man sich also geeinigt hat (es lebe der Kompromiss!) sind die WCAG-Richtlinien. Auch wir richten uns nach eben diesen Richtlinien. Ausnahmen gibt es immer und wenn deine Website für eine spezifische Zielgruppe besonders zugänglich sein soll, werden wir das von Anfang an berücksichtigen. Es sind also smarte Lösungen gefragt, die Ästhetik mit Zugänglichkeit kombinieren.
Barrierefreies Webdesign sorgt also nicht nur für Inklusion, sondern auch für ein konsistentes, zukunftsfähiges Web. National und international.
WCAG 2.1 – der Goldstandard für Barrierefreiheit
Die WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) sind der internationale Goldstandard für barrierefreies Webdesign. Sie definieren, was eine Website leisten muss, damit möglichst viele Menschen – mit oder ohne Behinderung – sie nutzen können. Die aktuelle Version 2.2 bringt zusätzliche Kriterien, die vor allem mobile Nutzung und kognitive Barrieren besser abdecken.
👉 Eine ausführliche Erklärung der vier Prinzipien (Perceivable, Operable, Understandable, Robust) sowie der neuen Anforderungen findest du in unserem Beitrag:
WCAG 2.1 erklärt
Gestaltung – worauf wir achten
Es gibt einen Spruch unter uns Gestalter:innen: gutes Design ist unsichtbar. Damit ist gemeint, dass sich Nutzer:innen voll auf Inhalte und Funktionen konzentrieren können sollen, ohne von der Oberfläche (User Interface) abgelenkt oder gar frustriert zu werden.
Natürlich ist Gestaltung auch immer Geschmackssache – Farben, Formen und Stilrichtungen lösen bei jedem Menschen unterschiedliche Emotionen aus. Aber beim barrierefreien Webdesign geht es nicht nur um Geschmack, sondern auch um klare Regeln: Kontraste, Lesbarkeit, Bedienbarkeit. Kurz gesagt: Gestaltung muss schön und zugänglich zugleich sein. Und das ist kein Widerspruch, der uns in die kreative Krise stürzt, sondern eine Challenge, die wir akzeptieren und meistern!
Damit gutes, barrierefreies Webdesign gelingt, setzen wir die WCAG-Richtlinien in konkrete Gestaltung um – von Farben und Typografie bis hin zu Buttons, Layout und Multimedia. Wichtig ist uns dabei: Theorie und gute Gestaltung allein reichen nicht. Wir testen unsere Ergebnisse mit Tools und – noch wichtiger – setzen auf manuelles Testing mit unserem Audit.
Denn erst im Praxistest zeigt sich, ob Farben, Kontraste, Buttons oder Formulare wirklich verständlich und bedienbar sind.
👉 Eine ausführliche Auflistung der Kriterien findest du in unserem WCAG-Überblick
Faktencheck: Barrierefreies Webdesign
Rund um barrierefreies Webdesign kursieren nach wie vor zahlreiche Mythen. Manche halten es für unnötig, andere für teuer oder unästhetisch. Zeit also für einen Faktencheck: Wir nehmen die häufigsten Mythen unter die Lupe und zeigen auf, wie es wirklich ist:
- Mythos 1: Barrierefreies Webdesign sieht langweilig aus
→ Nein. Schöne Gestaltung und modernes Design sind absolut kompatibel mit Zugänglichkeit. Farben, Formen, Animationen – alles ist erlaubt, solange die Basis barrierefrei bleibt. - Mythos 2: Barrierefreiheit ist teuer und nur für Spezialfälle
→ Falsch. Wenn Barrierefreiheit von Anfang an mitgedacht wird, spart das sogar Kosten. Nachbesserungen im Nachhinein sind deutlich aufwendiger – und frustrierender. Ausserdem profitieren alle von Funktionen wie Untertiteln, Skalierbarkeit und einer klaren Seitenstruktur. Spätestens mit der Einführung der WCAG 2.2 und der Anpassung des BehiG in der Schweiz wird Barrierefreiheit auch rechtlich verbindlich – vorausschauendes Handeln zahlt sich also doppelt aus! - Mythos 3: Nur Menschen mit Behinderungen profitieren
→ Ebenfalls falsch. Barrierefreies Webdesign hilft allen: ältere Menschen, Mobile-Nutzer:innen, Personen mit Sehschwäche oder einfach Eltern mit Kind auf dem Arm – mit nur einer freien Hand. - Mythos 4: Mit einem Overlay lässt sich jede Website barrierefrei machen
→ Schön wär’s. Aber Barrierefreiheit ist kein Add-on, das du einfach über deine Seite ziehen kannst. Echte Zugänglichkeit entsteht nur, wenn Design, Inhalt und Technik von Anfang an zusammen entwickelt werden. - Mythos 5: Es gibt die eine perfekte, barrierefreie Lösung
→ Auch das stimmt nicht. Menschen sind unterschiedlich, Bedürfnisse ebenso. Es gibt keinen «one fits all»-Ansatz. Der gemeinsame Nenner sind die WCAG-Richtlinien – und die smarte Gestaltung von Lösungen für deine Zielgruppe. - Mythos 6: Barrierefreies Webdesign hat einen negativen Einfluss auf SEO
→ Im Gegenteil. Suchmaschinen lieben klare Strukturen, Alternativtexte und sauberen Code – genau das, was Barrierefreiheit und unser Angebot ausmacht. Ergebnis: bessere Sichtbarkeit! - Mythos 7: Barrierefreiheit schreckt Nutzer:innen ab
→ Nein. Eine übersichtliche Struktur, lesbare Texte, klare Buttons und Untertitel sind nicht nur hilfreich für Menschen mit Behinderungen, sondern machen die Nutzung für alle Menschen angenehmer.
Vorteile für dein Unternehmen & deine Nutzer:innen
Barrierefreies Webdesign ist kein Kostenfaktor ohne Nutzen, sondern ein echter Mehrwert für dein Unternehmen. Du erreichst mehr Menschen, reduzierst Absprünge und verbesserst ganz nebenbei dein SEO. Gleichzeitig zeigst du, dass dir Inklusion wichtig ist. Das schafft Vertrauen und bringt neue Kund:innen.
Fazit: Warum barrierefreies Webdesign allen Menschen zugutekommt
Barrierefreies Webdesign ist kein Luxus, den sich nur wenige leisten können sollen. Es ist ein Grundrecht und zugleich die Basis für ein Internet, das alle einschliesst. In der Schweiz leben rund 1,6 Millionen Menschen mit Behinderungen. Früher oder später betrifft es uns alle.
Wir bei Digital Barrierefrei handeln aus Überzeugung, aus Leidenschaft, und auch als Betroffene. Wir sind überzeugt, dass gutes Design nur dann wirklich gut ist, wenn es inklusiv ist. Deshalb arbeiten wir pragmatisch, kreativ und kosteneffizient – damit auch kleine Unternehmen und Organisationen digitale Barrierefreiheit umsetzen und leben können.
Gutes Design ist barrierefreies Design.
Wir begleiten dich in deinem Projekt, lass uns darüber sprechen.
Quellen:
Bundesamt für Statistik (BFS): Menschen mit Behinderungen in der Schweiz – Zahlen & Fakten. bfs.admin.ch
Gesundheitsbericht Schweiz: Angeborene Erkrankungen und Behinderungen. gesundheitsbericht.ch
Access for All – Stiftung «Zugang für alle»: Schweizer Kompetenzstelle für digitale Barrierefreiheit. accessibility-checklist.ch
W3C – Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.2 Quick Reference. w3.org
WHO – World Health Organization: Disability and health. who.int